2014-2013︎Johanna Tinzl & Stefan Flunger ︎ 
Die Rahmung des Randes
︎Intervention︎Serie von 15 Fotos ︎ C-Prints auf Aluminium-Dipond ︎ Fratres (AT) / Slavonice (CZ)





Johanna Tinzl & Stefan Flunger

Die Rahmung des Randes


Intervention, Fratres (AT) / Slavonice (CZ)

Serie von 15 Fotos
C-Prints auf Aluminium-Dipond
Die Fotoserie »Die Rahmung des Randes« entstand während einer Autoreise entlang der Ostgrenze der Europäischen Union. Das Zentrum jeder fotografischen Aufnahme bildet ein konventionelles Navigationsgerät. Es zeigt, dass das Foto direkt vor der jeweiligen Außengrenze aufgenommen wurde. Die Landschaft um die Grenzlinie bildet den Hintergrund. Der Umfang der jeweiligen Rahmung eines Bildes entspricht der Länge der EU-Außengrenzen des Landes, in dem das Foto entstand und übersetzt so die Grenzlängen (zwischen Estland–Russland, Litauen–Kaliningard, Polen–Kaliningrad, Litauen–Belarus, Lettland–Russland, Lettland–Belarus, Polen–Belarus, Polen-Ukraine, Rumänien-Ukraine, Rumänien-Moldawien, Ungarn-Ukraine, Slowakei-Ukraine, Bulgarien-Griechenland, Griechenland–Türkei) in die Dimension eines gängigen Formats des Ausstellungsraumes.

Ihre Fotografien von eben diesem Rand zeigen nichts Spektakuläres. Die Grenzverläufe scheinen größtenteils willkürlich in der Landschaft zu liegen, nur die Trennung von Estland und Russland wird durch die natürliche Grenze eines Sees gebildet. Dennoch, diese feine Linie, die unterschiedliche Regierungsräume trennt, kann ein Leben bedeuten, kann bedeuten nicht gefoltert oder eingesperrt zu werden, verspricht die Möglichkeit etwas zu lernen, zu verdienen, seine Familie wiederzusehen oder einfach Teil am guten Leben zu haben.

Johanna Tinzl und Stefan Flunger haben die Randzonen des europäischen Wirtschaftsraumes, welche die EU vom Rest der Welt trennt, aufgesucht und diese ins Bild gesetzt. Einerseits indem sie durch die Windschutzscheibe des Autos fotografierten und andererseits indem sie die jeweilige Grenzlänge in das Format des Bildes den Bildumfang übersetzten; also ist ein Bild der ungarisch-ukrainischen Grenze, die 103 km beträgt, wesentlich kleiner, als das Bild der rumänisch-ukrainischen Grenze, deren Grenzlänge 531 km beträgt.
Die unterschiedlichen Dimensionen der Bildobjekte der Ausstellung verweisen also auf die Menge der Schnittpunkte der geschiedenen politischen Räume. Die Linie entlang derer sich die Möglichkeit zu einem anderen Leben oder dem Überleben entfalten, werden so im Rahmen gefasst. Die Spiegelung der Windschutzscheibe, die Spuren auf der Glasfront verdoppeln zugleich den Effekt der Glasplatte des Bilderrahmens und irritieren die Betrachter:innen.

Die Motive der Farbfotografien sind meist kleine Straßen und schmale Wege, die von Allerwelts-Landschaften gesäumt werden: grüne Wiesen, Blumen und Bäume unter blauem Himmel mit weißen Wölkchen. Fast idyllisch erscheinen diese, neben den gängigen Markierungen der Infrastruktur wie Schilder , Strommasten und Spuren landwirtschaftlicher Nutzung. Kein Mensch ist in den Fotografien zu sehen. Dennoch zeigen sie den Menschen als Repräsentant dieser Landschaften, mehr noch, sie zeigen ihn durch ein Instrument ihrer Beherrschung: in Form eines Navigationsgerätes, das jeden Winkel dieser zweiten Natur mit Satelliten erfasst. Was dem Künstlerduo als Orientierungshilfe im Auto dient, repräsentiert eine der zahlreichen Technologien, die dem Kontrollregime an den Grenzen nützlich ist, die Mauern und Zäune zur Sicherung der sogenannten Festung Europa anachronistisch erscheinen lässt und mit deren Hilfe das humanistische Gesicht Europas nicht verunstaltet zu werden droht, während man die Zäune und Mauern anderer Staaten beschimpft.


Text: Katharina Rettelbach


Die Serie »Die Rahmung des Randes« wurde Teil der Erweiterung der Installation »Wohin verschwinden die Grenzen? / Kam mizí hranice?« von Iris Andraschek und Hubert Lobnig, die direkt am österreichisch-tschechischen Grenzübergang Fratres (AT) / Slavonice (CZ) anzuschauen war.