2019 - 2023 ︎ Das Archiv des Verschwindens ︎Skulpturen︎Weissbeton mit Marmorsand, Stahl︎diverse Masze
Das Archiv des Verschwindens:
Sólheimajökull (IS), 2019
96 cm x 38 cm x 28 cmGepatschferner (AT), 2020
70
cm
x
68
cm x 102
cmSchalfferner (AT), 2021
107 cm x 64 cm x 126 cmPasterze (AT), 2022
67 cm x 52 cm x 125 cmVermuntgletscher (AT), 2023
98 cm x 59 cm x 104 cmSkulpturen
Weißbeton mit Marmorsand, Stahl
Als
Kipppunkt bezeichnet die Klimaforschung einen
kritischen Moment, ab dem eine Entwicklung irreversibel ist oder so
stark beschleunigt wird, dass sie ein System zum Kollabieren bringt.
Im Alpenraum stellt das Schmelzen der Gletscher einen solchen
Kipppunkt im Sinne der Wasserversorgung dar. Dem widmet sich Johanna
Tinzls Werkgruppe
»Das
Archiv des Verschwindens«.
Seit 2019 archiviert die Künstlerin mittels Abgusstechnik die Topografien und Oberflächen rasch schrumpfender Gletscher und übersetzt sie in Skulpturen. Die Serie umfasst fünf Abformungen: den Sólheimajökull auf Island (2019), den Gepatschferner (Kauntertal, 2020), den Schalfferner (Ötztal, 2021), die Pasterze (Glocknergruppe, 2022), und den Vermuntgletscher (Silvretta, 2023).
Für ihre Recherche hat die Künstlerin auf Daten von Glaziolog:innen und auf Luftbilder öffentlicher Geodatendienste zurückgegriffen, um die Umrisse anhand der Messungen des Vorjahres zu ermitteln. Diese werden in eine maßstabsgetreue Form übersetzt und mit Alabastergips vor Ort auf dem Gletscher ausgegossen. Die Oberfläche der Abformung entspricht der tatsächlichen Eisoberfläche.
Ihre Materialien wählt Johanna Tinzl mit Bedacht und setzt sie als widerständige Akteure ein, um globale und lokale Dimensionen ökologischer und technologischer Prozesse sichtbarzumachen. Der Alabastergips etwa ist ein Naturprodukt und ermöglicht nachhaltiges Arbeiten vor Ort, ohne schädliche Rückstände auf dem Gletscher zu hinterlassen. Die Skulpturen selbst bestehen aus Beton, dessen Produktion für 9% aller menschlichen CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Seit 2019 archiviert die Künstlerin mittels Abgusstechnik die Topografien und Oberflächen rasch schrumpfender Gletscher und übersetzt sie in Skulpturen. Die Serie umfasst fünf Abformungen: den Sólheimajökull auf Island (2019), den Gepatschferner (Kauntertal, 2020), den Schalfferner (Ötztal, 2021), die Pasterze (Glocknergruppe, 2022), und den Vermuntgletscher (Silvretta, 2023).
Für ihre Recherche hat die Künstlerin auf Daten von Glaziolog:innen und auf Luftbilder öffentlicher Geodatendienste zurückgegriffen, um die Umrisse anhand der Messungen des Vorjahres zu ermitteln. Diese werden in eine maßstabsgetreue Form übersetzt und mit Alabastergips vor Ort auf dem Gletscher ausgegossen. Die Oberfläche der Abformung entspricht der tatsächlichen Eisoberfläche.
Ihre Materialien wählt Johanna Tinzl mit Bedacht und setzt sie als widerständige Akteure ein, um globale und lokale Dimensionen ökologischer und technologischer Prozesse sichtbarzumachen. Der Alabastergips etwa ist ein Naturprodukt und ermöglicht nachhaltiges Arbeiten vor Ort, ohne schädliche Rückstände auf dem Gletscher zu hinterlassen. Die Skulpturen selbst bestehen aus Beton, dessen Produktion für 9% aller menschlichen CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Der
Arbeitsprozess ist körperlich fordernd, nahezu performativ: die
Künstlerin und ihre Begleiter:innen transportieren die Formen und
Materialien für die bis zu 20
Kilo schweren Abgüsse auf den Rücken geschnallt zum Gletscher.
Dabei legen sie Strecken von bis zu 700
Höhenmetern zurück. Das mit den Erfahrungen von Distanz, Höhe,
Kälte, Wind und Sonneneinstrahlung geformte Körperwissen fließt in
die Arbeiten mit ein.
Die Skulpturen sind Ergebnis eines künstlerischen Transformationsprozesses, der auf Berührung und Übersetzung basiert, und den Gletschern eine andere, weniger prekäre Körperlichkeit verleiht. Die geschmiedeten Beine ähneln denen von Insekten und vermitteln Lebendigkeit. So formen die Skulpturen eine imaginierte Gemeinschaft, die uns daran erinnert, welch fragile Wesen und komplexe Ökosysteme Gletscher darstellen, und wie eng wir mit ihnen verbunden sind. Zugleich verweist die in einer momenthaften Aufnahme skulptural fixierte Gestalt der Gletscher auf die unmögliche Aufgabe einen von konstanter Veränderung geprägten Prozess des Verschwindens zu archivieren.
Text: Georgia Holz
Die Skulpturen sind Ergebnis eines künstlerischen Transformationsprozesses, der auf Berührung und Übersetzung basiert, und den Gletschern eine andere, weniger prekäre Körperlichkeit verleiht. Die geschmiedeten Beine ähneln denen von Insekten und vermitteln Lebendigkeit. So formen die Skulpturen eine imaginierte Gemeinschaft, die uns daran erinnert, welch fragile Wesen und komplexe Ökosysteme Gletscher darstellen, und wie eng wir mit ihnen verbunden sind. Zugleich verweist die in einer momenthaften Aufnahme skulptural fixierte Gestalt der Gletscher auf die unmögliche Aufgabe einen von konstanter Veränderung geprägten Prozess des Verschwindens zu archivieren.
Text: Georgia Holz
Alle Ansichten entstammen der Ausstellung »Looming at the Horizon« im Kunstforum Montafon. Die Papierarbeiten und das Stahlobjekt sind Werke von Andreas Werner.
Die Schmiedearbeiten der Skulpturen setzte Bartholomäus Skinner um.
Dieses Projekt wurde durch eine Projektförderung des BKA - Sektion II - Kunst und Kultur, Österreich (2019) und durch zwei Arbeitsstipendien des Landes Tirol, Österreich (2020, 2021) gefördert.